Das Normale, Kollhoff nennt es konventionell (die Konvention ist die Übereinkunft – und ist die eigentlich so schlecht?), hebt sich jedoch auf den zweiten Blick subtil von der Umgebung ab, ohne diese zu ignorieren.
Mitten im Ort steht das alte Hotel Linde auf einer ca. 12.000 m² großen Wiese. Das Haus ist schon halb verfallen, weil es seit vielen Jahren nicht mehr genutzt wird. Hier, im Zentrum des Dorfes, gegenüber vom Fähranleger soll die Grundstückentwicklung mit verantwortungs- und liebevoller Sorgfalt vorgenommen werden. Liegt es in der Natur der Sache, dass Neubauten die Zerstörung des Ortes mit sich bringen? Wir starten ein Experiment und versuchen, das Gegenteil zu beweisen, nämlich dass sich deutliche bauliche Verdichtung und harmonische, zeitlose Ortsentwicklung nicht widersprechen. Wir veranlassen eine Mehrfachbeauftragung verschiedener ausgewählter Architekturbüros und entscheiden uns dann, zusammen mit der Ortsgemeinde, für den Vorschlag von Hans Kollhoff. Der wird umgesetzt. Inzwischen sind dort Gebäude entstanden, die im weitesten Sinn als „normal“ zu bezeichnen sind. Das wirkt auf moderne Menschen oder Architekten zunächst befremdlich, weil kein Bruch sichtbar ist. Das Normale, Kollhoff nennt es konventionell (die Konvention ist die Übereinkunft – und ist die eigentlich so schlecht?), hebt sich jedoch auf den zweiten Blick subtil von der Umgebung ab, ohne diese zu ignorieren. Es ist die Vielgestaltigkeit und die erfrischende Fantasie. Eine Reise durch die Bodenseeregion diente als Inspiration für die Gestaltung der einzelnen Häuser. Regionaltypische Konstruktions- und Gestaltungstypologien werden aufgenommen. Die Häuser dabei so sorgfältig gestaltet, dass sie in sich logisch und ruhig erscheinen. Die Balkone entwickeln sich aus dem Körper der Häuser und werden Teil der Gesamtarchitektur. Dadurch unterscheiden sie sich von der harten, übergriffigen Balkonarchitektur, wie sie üblicherweise gebaut wird. Eine zunächst ähnlich erscheinende Herangehensweise, die oberflächlich und grobschlächtig mit tradierten Gestaltthemen arbeitet, wird zur schnell durchschaubaren Farce. Dieser haben wir den Vergleich mit „Disney-Architektur“ zu verdanken. Das alte „Hotel Linde“ wurde rekonstruiert und als bedeutsame kollektive Erinnerung der Ortsgeschichte erhalten. Viele Bewohner des Dorfes haben ihr Befremden abgelegt und freuen sich an den neuen, freundlichen Gebäuden im Ort, die sich nun so selbstverständlich und bereichernd einfügen (aufwertendes Weiterbauen). Weil es Häuser sind, die sich verbinden möchten, weil sie Gesichter haben, die zu uns sprechen. Und jetzt stört es gar nicht mehr, dass hier keine bis zur Sprachlosigkeit abstrahierten Bauträger-Investitionen im lichtdurchfluteten Bauhaustil stehen.