Januar, ein grauer Morgen. Zwischen totem Laub und bleichem Gras, verwitterten Zweigen und jungen Fichten, steht eine Buche. Schneeflocken taumeln auf Wiesenkraut und Weißdorn. In die Buche hat ein Mann mit seiner Motorsäge bereits eine Fallkerbe geschnitten, ihre Wurzelanläufe weggesägt. Ein zweiter Mann steht ganz in der Nähe. Er ist groß, kräftig, er trägt Gummistiefel und schaut zur Krone der Buche. Dann gibt er das Kommando. Die Motorsäge röhrt. Nach einer Weile setzt der erste Mann einen Keil in die Spalte. Klack, ein Hieb mit der Axt, klack, klack. Erst Stille, dann ein Knistern, gefolgt von einem Knacken und Knirschen. Der Baum neigt sich. Ein Sausen in der Luft. Einundzwanzig. Zweiundzwanzig. Rumms. Dumpfer Knall, vibrierender Boden; mattblauviolett glänzen die Brombeersträuche.
Waldfacharbeiter
Der erste Mann ist Jonathan Hirsch. Nach seiner Ausbildung zum Landwirt folgt er seinem Herzenswunsch und absolviert eine Lehre zum Forstwirt bei Gut Bodman Forst. Der große Mann in Gummistiefeln ist Edgar Grundler. Er kommt aus Langenrain auf dem Bodanrück, aufgewachsen auf einem Bauernhof. Er war 16, als sein Vater ihn zum gräflichen Betrieb in die Lehre schickte. Das war vor über 40 Jahren. Seither hat Forstwirt Grundler hunderttausende Bäume gefällt, tausende Hektar Wald durchforstet und gepflegt. Er hat gesägt und geschnitten, geschuftet in der Hitze des Sommers und im Frost des Winters. Trotzdem strahlt er eine tiefe Zufriedenheit aus und bewältigt die Arbeit mit einer auffallenden Leichtigkeit. Grundler erkennt jede Baumart schon von Weitem, kann erklären, warum die Eschen in den deutschen Wäldern sterben und schätzt den Festmetergehalt im Vorübergehen. Und er genießt sie immer noch, die Erntezeit: „Da geht die Arbeit am leichtesten von der Hand.“
Hiebsvorbereitung
Ende Mai, Anfang Juni beginnt Förster Reiner Bickel mit der Hiebsvorbereitung. Die zu entnehmenden Bäume werden ausgewählt und markiert. Welche Bäume sollen gefördert werden? Welche Sortimente wird der Markt nachfragen? Welche Bäume müssen krankheitsbedingt, welche altersbedingt aussortiert werden? Monatelang durchstreift Bickel mit seiner Hündin Anja den Wald, versprüht 150 Farbdosen. Im August werden die ersten Verkäufe verhandelt. Zeit für die letzten Korrekturen in der Auswahl. Welche Baumart bringt besonders viel diese Saison, welche lohnt kaum und kann stehen bleiben?
Einschlag
Zu diesem Zeitpunkt hat Bickel die meisten Arbeitsaufträge schon vergeben. Mitte bis Ende September beginnt der Einschlag. Für 10 % der Ernte, die in schwer zugänglichen Hanglagen stattfindet, wird der Seilkran geordert; 30 bis 40 % erledigt der Harvester, der mehrere Hektar Wald am Tag bearbeiten kann. Diese Gerätschaften betreiben Fremdfirmen. Den Rest besorgen die eigenen Leute, also Edgar Grundler und Jonathan Hirsch, unterstützt von freien Mitarbeitern. Mit Motorsägen. Was sie fällen, wird von Rückezügen, die ebenfalls von außerhalb kommen, an den Waldweg befördert und dort vom Käufer abtransportiert. Sechs Monate Einschlag und Verkauf, sechs Monate Durchforstung, Pflege und Hiebsvorbereitung. Das ist das Jahr.
Absatz
Aus der Buche, die an diesem Januarmorgen gefallen ist, wird vermutlich Möbelholz. Die Globalisierung hat die Branche massiv verändert. Asien braucht Holz, vor allem China kauft weltweit Holz. Beim Nadelholz ist die Nachfrage groß. Die Preise beim Buchenstammholz sind seit Jahren auf einem niedrigen Niveau. Das Buchenbrennholz hat in Preis und Nachfrage angezogen. Junge Bestände, kleine Durchmesser, geringe Stückzahlen, Sturm- oder Kalamitätsholz gehen an sogenannte Brennholzselbstwerber. Das Kronenholz wird zu Hackschnitzeln oder gibt Reisschläge für den örtlichen Brennholzkunden. Das gräfliche Unternehmen, sagt Bickel, „ist aber von den großen Entwicklungen oder Modeerscheinungen nicht abhängig.“ Douglasie für Bootssteg? Ahorn oder Eiche für Innenausstattung? Bickel kann liefern. Da wird der Mischwald zum Vorteil. Bickel sagt: „Es gibt immer ein übergeordnetes Konzept in unserem Wirtschaften, es gibt aber auch immer Spielraum.“