Alte Häuser haben eine eigentümliche Kraft. Das Phänomen der inneren Logik, welches in den vorindustriell gefertigten Gebäuden steckt, ist faszinierend. Die Proportionen der Räume, die feinen Grenzen zwischen öffentlichen und privaten Bereichen, die appetitliche Reinheit der Materialien, die Platzierung von Öffnungen, das Relief der Fassade – alles folgt einer archaischen, für uns nicht immer durchschaubaren Logik.
Zeitgeist
So etwas kann man heute nicht mehr bauen, weil unsere Logik eine andere ist. Wir wollen heute alles. Offenheit und Abschottung, schnelle Bauzeit, Pflegeleichtigkeit, maximale Technik und minimale Kosten mit minimalem Instandhaltungsaufwand. Dieser diffuse Brei an Wünschen ist dann auch bedeutungsvoll für die Gestalt des Gebäudes. Das Resultat ist Charakterlosigkeit, die sich mit hochmodischen Designelementen über diesen Mangel zu trösten versucht. Dieses Alleshabenwollen kann nicht funktionieren. Technik zum Beispiel veraltet zunehmend schneller und geht kaputt. Viel Technik bedeutet immer einen hohen Verschleiß. Gerade in der Architektur hat der Enthusiasmus des technischen Denkens dazu geführt, dass Erneuerung Selbstzweck geworden ist. Zu meiner Studienzeit galt noch das Dogma der Allmachbarkeit. Zwänge wurden unter Zuhilfenahme technischer Aufwendungen umgangen. Regeln, Ordnungen und die Frage nach der Verhältnismäßigkeit galten als Attribute der Vergangenheit. Für mich ein Irrglaube. Architektur kann so nicht langfristig und sinnstiftend funktionieren. Vielmehr überlebt sie sich nach einer kurzen ästhetischen und materialbedingten Halbwertzeit. Wie jeder Mittelklassewagen oder jedes iPhone. Mehr und mehr entdecken wir, wie Dinge und Gebäude oder ganze Stadtteile verschwinden, die sehr lange Zeit selbstverständlicher Bestandteil unserer Umwelt waren.
Idee
In der Domäne Bodman wollen wir an das vorhandene Repertoire von Gestalt und Konstruktion anknüpfen, und daraus Rückschlüsse für das zeitgenössische Bauen ziehen. Architektur kann Räume schaffen, die Schutz und Gediegenheit bieten, und in denen wir gut leben können; sie kann von Solidität und Harmonie getragen sein, nicht von High-Tech-Wahn und dem Bedürfnis aufzufallen. Schließlich darf sie sich auch in ihr architektonisches Umfeld einfügen. Nur so kann sie auch sozial funktionieren und die Menschen zusammenbringen. Unsere Gebäude sind Charaktere, deren Wert auch darin besteht, dass sie eine Geschichte erzählen. Wir brauchen diese Geschichten, weil wir in unserer schnelllebigen Konsumwelt, geprägt von Design und Plastik, permanent von unserer Vergangenheit abgeschnitten werden. Ich lebe mit meiner Familie im ehemaligen Gärtnerhaus des Bodmaner Schlosses. Es ist ein schlichtes Haus, das zum Nutzen der Bewohner konstruiert wurde. Der Erbauer wollte nicht originell sein, da ist kein Designer-Ehrgeiz zu spüren. Vielmehr ist das Haus geprägt von Selbstverständlichkeit, wodurch es eine schlichte Schönheit ausstrahlt, die jedes Designerhaus bloßstellt.
(Tobias Jaklin hat in Aachen, Paris und Stuttgart Architektur studiert; er lebte und arbeitete im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, bevor er 2009 nach Bodman kam)