Die Linde

Wer mit dem Kurs­schiff von Lud­wigs­ha­fen oder Über­lin­gen kommt, steu­erte bis vor kur­zem direkt dar­auf zu. Das Ocker des Put­zes, die klas­si­sche Ord­nung der Fas­sade, die Gran­dezza sei­nes kubi­schen Mit­tel­baus erin­ner­ten an ein nord­ita­lie­ni­sches Klein­stadt­idyll. Immer noch mar­kierte das Hotel Linde die Orts­mitte Bod­mans. Gebaut in den 1920er Jah­ren, auf einer klei­nen Erhe­bung hin­ter dem Ufer, an der Stelle einer ehe­ma­li­gen Post­hal­te­rei, ent­wi­ckelte sich das Hotel Linde schnell zu einem der renom­mier­tes­ten Häu­ser am Boden­see. Zur Som­mer­fri­sche kam nicht nur die bes­sere Gesell­schaft Deutsch­lands, son­dern auch aus­län­di­sche Pro­mi­nenz wie der König von Siam. Gleich­zei­tig war das Hotel Linde stets Mit­tel­punkt des öffent­li­chen Lebens. Hoch­zeit. Taufe. Kon­fir­ma­tion. Run­der Geburts­tag. Wer groß fei­erte, ging in die Linde. Mit dem Fern­tou­ris­mus wurde das Hotel­ge­schäft jedoch zuneh­mend unat­trak­ti­ver, der Betrieb ein­ge­stellt und das Gebäude dem Ver­fall preisgegeben.

Kon­zept

Das gesamte ca. 12.000 Qua­drat­me­ter große Areal gehörte lange Zeit zum gräf­li­chen Besitz. Nun sollte es ver­äu­ßert wer­den. Hier­für wurde zunächst eine Samm­lung von ver­schie­dens­ten Bebau­ungs­kon­zep­ten mit Hilfe aus­ge­such­ter Archi­tek­ten vor­ge­nom­men. In inten­si­ver Abwä­gung mit der Gemeinde ent­schlos­sen wir uns, den begeis­te­rungs­wür­di­gen und in sei­ner ent­spann­ten Selbst­ver­ständ­lich­keit unter den ande­ren Ent­wür­fen her­aus­ra­gen­den, Ent­wurf von Prof. Hans Koll­hoff zu favo­ri­sie­ren. Das archi­tek­to­ni­sche Kon­zept sieht 15 in Größe und Gestalt ver­schie­dene Wohn­häu­ser samt park­ar­tig gestal­te­ter Frei­flä­che und ein Hotel in dem rekon­stru­ier­ten Lin­de­bau vor. Für die Gestal­tung der Frei­flä­chen konnte das Land­schafts­pla­nungs­büro Jac­ques Wirtz gewon­nen wer­den. Zusam­men mit der Orts­ge­meinde und der Stadt­pla­ne­rin Bet­tina Nocke ver­an­lass­ten wir, den koll­hoff­schen Ent­wurf in einen rechts­kräf­ti­gen Bebau­ungs­plan umzusetzen.

Rea­li­sie­rung

Nach Erstel­lung des Bebau­ungs­pla­nes wurde das Gelände zum Ver­kauf ange­bo­ten. Feste Bedin­gung war die Umset­zung des vor­lie­gen­den Ent­wur­fes und der Wie­der­auf­bau des Kern­baus vom Hotel Linde. Der Zuschlag wurde nicht von der Höhe des ange­bo­te­nen Kauf­be­tra­ges abhän­gig gemacht, son­dern von der Iden­ti­fi­ka­tion des Kauf­in­ter­es­sen­ten mit dem Ort und dem vor­lie­gen­dem Ent­wurf. In dem Vor­arl­ber­ger Fami­li­en­un­ter­neh­men Schertler Alge (I+R) wurde ein Bau­trä­ger gefun­den, der sich von Anfang an für die­ses anspruchs­volle Kon­zept begeis­tern konnte und nun als neuer Eigen­tü­mer zusam­men mit dem Ate­lier Koll­hoff geplant hat und im Jahre 2018 bezugs­fer­tig sein soll.

Infor­ma­tio­nen

http://www.lindeareal.de
http://www.seedomaine-bodman.de/de
Woh­nun­gen und Häu­ser kön­nen Sie über Gut Bod­man Rent­amt beziehen.

Gespräch mit Hans Kollhoff

Worin besteht der Reiz, die spe­zi­elle Her­aus­for­de­rung beim Pro­jekt Linde-Areal?

Natür­lich im Auf­trag der Fami­lie von und zu Bod­man, auf Basis der über Jahr­hun­derte gewach­se­nen Bau­tra­di­tion des Ortes eine neue Orts­mitte zu schaf­fen, die sich zugleich har­mo­nisch in die his­to­ri­sche Sub­stanz einfügt.

Das klingt nicht nach einem Pres­ti­ge­ob­jekt für einen inter­na­tio­nal renom­mier­ten Architekten.

Pres­tige! Das über­trie­bene Stre­ben nach Pres­tige ist doch mit­ver­ant­wort­lich für eine Abkop­pe­lung der Archi­tek­tur von so rele­van­ten Bedin­gun­gen wie Ort, Funk­tion und Kon­struk­tion – also letzt­end­lich von den Bedürf­nis­sen der Men­schen, die in die­sen Gebäu­den und Quar­tie­ren woh­nen und arbei­ten sollen.

Und wie sieht Ihr Gegen­ent­wurf aus?

Häu­ser müs­sen geglie­derte Ganz­hei­ten sein. Ja, sie müs­sen zunächst ein­mal Häu­ser sein und nicht Kunst­ob­jekte. Der Mensch mit der ihm eige­nen Kör­per­lich­keit muss sich in sie hin­ein­ver­set­zen und sich in sie ein­füh­len kön­nen. Bei all dem gilt es, ein über Jahr­hun­derte von Archi­tekt zu Archi­tekt wei­ter­ge­reich­tes und dabei ver­fei­ner­tes Reper­toire zu ver­wen­den, das unser kol­lek­ti­ves Erbe ist. Das wei­ter­zu­den­ken und wei­ter­zu­bauen, ent­spre­chend den Erfor­der­nis­sen unse­rer Zeit, ist unsere Herausforderung.

Also gewis­ser­ma­ßen Zukünf­ti­ges schaf­fen, indem man sich an der Ver­gan­gen­heit orientiert?

Ori­en­tiert am Qua­li­täts­maß­stab der Über­lie­fe­rung geht es sozu­sa­gen um eine Reha­bi­li­tie­rung des Vor­bild­li­chen. Es gab ein­mal, und das ist noch gar nicht so lange her, eine Archi­tek­tur, die ganz selbst­ver­ständ­lich aus der Lebens­weise und den bau­li­chen Mög­lich­kei­ten einer Region her­vor­ge­gan­gen ist. Diese Archi­tek­tur wurde nicht erfun­den, son­dern war das Ergeb­nis eines Jahr­hun­derte wäh­ren­den Ver­fei­ne­rungs­pro­zes­ses. Jedes Gebäude hatte sein Vor­bild in der nähe­ren Umge­bung. Und mit dem Erstel­len jedes neuen Gebäu­des war der Anspruch ver­bun­den, die Form dem – wenn auch meist nur unmerk­lich gewan­del­ten – Leben anzu­pas­sen und im Gan­zen wie im Detail zu voll­enden. So ent­stan­den der kol­lek­tive Raum und ein Orts­bild, dem sich alle zuge­hö­rig füh­len. Diese evo­lu­tio­näre Arbeits­weise müs­sen wir erst wie­der ein­üben. Die geplante Bebau­ung des Linde-Are­als könnte dazu ein Bei­trag sein.