Ich kam 1977 ins Rentamt. Anfangs dachte ich, hier bleibe ich keine drei Wochen. Damals wurde die Pacht für landwirtschaftliche Flächen noch in bar bezahlt. Wir hatten einen Wein- und Spirituosenverkauf im Keller, nicht nur eigene Weine, auch Hochkarätiges. Rothschild, diese Kategorie. Die Wirte der Gaststätten, die zum Betrieb gehörten, kamen täglich. Ständig klingelte jemand an der Tür. Graf Bodman hatte damals noch einen Verwalter, die Forstwirtschaft wurde vom Land betreut. Graf Bodman kam immer mal wieder durch die Tür, schaute auf den einen oder anderen Schriftwechsel, dann war er wieder weg, kam zurück durch eine andere Tür, sagte: „Wir sollten das so machen.“ Seither hat sich vieles verändert. Heute führt Baron Johannes den Betrieb. Er hat das Büro übernommen, in dem früher der Verwalter saß. Heute produzieren wir biologisches Obst und biologischen Wein, wir investieren in Erhalt und Restaurierung unserer Gebäude und kümmern uns um den Wald selbst. Wir sind ein traditionsbewusstes, konservatives Haus, aber auch modern und innovativ, immer offen für das Neue. Schon Graf Bodman hat sehr darauf geachtet, dass mit dem Land behutsam umgegangen wird. Früher ist das belächelt worden, inzwischen wird das gefeiert. Wir machen nicht Bio, weil es modern ist oder weil man damit Geld verdienen kann, wir machen Bio, weil wir es für richtig halten. Wenn man mich fragen würde, was ich mag an meiner Arbeit, würde ich sagen: die Vielseitigkeit, das viele Nicht-Alltägliche. Dass nichts Routine ist, nie Langeweile aufkommt. Und dass wir uns als Angestellte fühlen wie Mitglieder der Familie. Warum ich nicht nach drei Wochen gegangen bin? Kann ich nicht erklären. Bin halt geblieben. Manchmal kommt mir meine Zeit hier vor wie eine Ehe. Eine lange, glückliche Ehe. Fast vier Jahrzehnte und nie ein böses Wort. Wir Rentämtler freuen uns immer wieder, dass uns Graf Bodman das Jahr über mit Topfblumen versorgt. Mit Primeln, Hortensien, Alpenveilchen oder Orchideen. Meine Motivation war immer beizutragen, das zu bewahren, was das Haus Bodman seit Jahrhunderten verkörpert. Bevor ich hier arbeitete, war Adel für mich nichts Besonders. Am Bodensee gibt es viele Adelshäuser. Jetzt weiß ich, dass Adel etwas sehr Besonderes sein kann. Wann immer ich angesprochen werde, erzähle ich stolz: Ich arbeite im Rentamt.
(Ingrid Knobelspies ist gelernte Industriekauffrau. Bevor sie nach Bodman kam, arbeitete sie für einen Textilbetrieb in Eigeltingen)