Schloss­brauerei Espasingen

Von Bod­man Rich­tung Nor­den. Ried­wie­sen, Wei­den und Obst­gär­ten, 1500 Meter Luft­li­nie vom Boden­see ent­fernt, das kleine Dorf Espa­sin­gen. Hier steht das ehe­ma­lige Barock­schloss der Fami­lie Bod­man, ein star­kes Gebäu­de­vo­lu­men am süd­li­chen Orts­ein­gang und mar­kan­ter Zeuge der Espa­sin­ger Orts­ge­schichte. Das Schloss wurde von der Fami­lie nach der Zer­stö­rung der Burg Alt­bod­man über meh­rere Gene­ra­tio­nen bewohnt. Nach einem Brand vor etwa hun­dert Jah­ren wurde die Anlage zu einer Braue­rei umge­baut, die auch eine Gast­stätte unter­hielt. 1968 stellte die Braue­rei ihren Betrieb ein. Das Schloss, zu dem ein his­to­ri­sches Wohn­haus, eine Stall­scheune, eine Getrei­de­mühle sowie der ehe­ma­lige Braue­rei­wei­her mit einem klei­nen Was­ser­kraft­werk gehö­ren, ver­fällt seither.

Wir haben für das Areal einen Ent­wurf erar­bei­tet. Hier wurde die Chance genutzt, ein grö­ße­res Areal im Zusam­men­hang zu sehen, einer Zer­stü­cke­lung vor­zu­beu­gen und den Ort wei­ter zu bauen. Alle erfor­der­li­chen Pla­nungs­schritte wur­den im Ver­lauf der letz­ten Jahre zusam­men mit dem Ort Espa­sin­gen und der Gemeinde Stock­ach im gegen­sei­ti­gen Ein­ver­neh­men abge­stimmt. Das Braue­rei­areal glie­dert sich in fol­gende Berei­che auf:

Schloss­brauerei

Das alte Wahr­zei­chen von Espa­sin­gen wurde an einen regio­na­len Bau­trä­ger ver­äu­ßert. In die­ser his­to­ri­schen, denk­mal­ge­schütz­ten Gebäu­de­hülle sol­len, nach lie­be­vol­ler Sanie­rung und Moder­ni­sie­rung 24 Woh­nun­gen ein­ge­rich­tet werden.

Schloss­höfe

Um die Schloß­braue­rei wer­den 5 ver­schie­dene Mehr­fa­mi­li­en­häu­ser plat­ziert. Es sind ein­fa­che, solide Gebäude mit unprä­ten­tiö­ser und zeit­lo­ser Archi­tek­tur. Die neue Bebau­ung soll sich in Cha­rak­ter und Volu­men orga­nisch in das Orts­bild von Espa­sin­gen ein­pas­sen. Ein über­re­gio­na­ler Bau­trä­ger wird die Gebäude errichten.

Kas­ta­ni­en­gar­ten

Der nörd­li­che Teil des Are­als, in wel­chem sich der Schloss­park befun­den hatte, wird Kas­ta­ni­en­gar­ten genannt. Ein Mehr­fa­mi­li­en­haus und sechs, seri­ell gefer­tigte, Holz­häu­ser rei­hen sich an der Straße gegen­über des Braue­rei­wei­hers auf. Hier suchen wir nach Part­nern. Die Nut­zung als Betriebs­woh­nun­gen wäre ideal.

Wohn­haus, Mühle, Wasserkraftwerk

Die­ses Bau­ensem­ble am Braue­rei­platz ist unter Denk­mal­schutz gestellt wor­den. Hier wird durch GUT BODMAN ein Kon­zept zu Erhalt und Nut­zung ent­wi­ckelt wer­den. Vor­erst sind keine bau­li­chen Maß­nah­men geplant.

Eis­wei­her

Zusam­men mit der Stif­tung Natur­schutz­fonds Baden-Würt­tem­berg, der Heinz Siel­mann Stif­tung und der Stadt Stock­ach wurde die Rena­tu­rie­rung, des inzwi­schen ver­lan­de­ten, Tei­ches geplant. Die­ser wird zukünf­tig Teil des Bio­top­ver­bun­des Boden­see sein.

Die Linde

Wer mit dem Kurs­schiff von Lud­wigs­ha­fen oder Über­lin­gen kommt, steu­erte bis vor kur­zem direkt dar­auf zu. Das Ocker des Put­zes, die klas­si­sche Ord­nung der Fas­sade, die Gran­dezza sei­nes kubi­schen Mit­tel­baus erin­ner­ten an ein nord­ita­lie­ni­sches Klein­stadt­idyll. Immer noch mar­kierte das Hotel Linde die Orts­mitte Bod­mans. Gebaut in den 1920er Jah­ren, auf einer klei­nen Erhe­bung hin­ter dem Ufer, an der Stelle einer ehe­ma­li­gen Post­hal­te­rei, ent­wi­ckelte sich das Hotel Linde schnell zu einem der renom­mier­tes­ten Häu­ser am Boden­see. Zur Som­mer­fri­sche kam nicht nur die bes­sere Gesell­schaft Deutsch­lands, son­dern auch aus­län­di­sche Pro­mi­nenz wie der König von Siam. Gleich­zei­tig war das Hotel Linde stets Mit­tel­punkt des öffent­li­chen Lebens. Hoch­zeit. Taufe. Kon­fir­ma­tion. Run­der Geburts­tag. Wer groß fei­erte, ging in die Linde. Mit dem Fern­tou­ris­mus wurde das Hotel­ge­schäft jedoch zuneh­mend unat­trak­ti­ver, der Betrieb ein­ge­stellt und das Gebäude dem Ver­fall preisgegeben.

Kon­zept

Das gesamte ca. 12.000 Qua­drat­me­ter große Areal gehörte lange Zeit zum gräf­li­chen Besitz. Nun sollte es ver­äu­ßert wer­den. Hier­für wurde zunächst eine Samm­lung von ver­schie­dens­ten Bebau­ungs­kon­zep­ten mit Hilfe aus­ge­such­ter Archi­tek­ten vor­ge­nom­men. In inten­si­ver Abwä­gung mit der Gemeinde ent­schlos­sen wir uns, den begeis­te­rungs­wür­di­gen und in sei­ner ent­spann­ten Selbst­ver­ständ­lich­keit unter den ande­ren Ent­wür­fen her­aus­ra­gen­den, Ent­wurf von Prof. Hans Koll­hoff zu favo­ri­sie­ren. Das archi­tek­to­ni­sche Kon­zept sieht 15 in Größe und Gestalt ver­schie­dene Wohn­häu­ser samt park­ar­tig gestal­te­ter Frei­flä­che und ein Hotel in dem rekon­stru­ier­ten Lin­de­bau vor. Für die Gestal­tung der Frei­flä­chen konnte das Land­schafts­pla­nungs­büro Jac­ques Wirtz gewon­nen wer­den. Zusam­men mit der Orts­ge­meinde und der Stadt­pla­ne­rin Bet­tina Nocke ver­an­lass­ten wir, den koll­hoff­schen Ent­wurf in einen rechts­kräf­ti­gen Bebau­ungs­plan umzusetzen.

Rea­li­sie­rung

Nach Erstel­lung des Bebau­ungs­pla­nes wurde das Gelände zum Ver­kauf ange­bo­ten. Feste Bedin­gung war die Umset­zung des vor­lie­gen­den Ent­wur­fes und der Wie­der­auf­bau des Kern­baus vom Hotel Linde. Der Zuschlag wurde nicht von der Höhe des ange­bo­te­nen Kauf­be­tra­ges abhän­gig gemacht, son­dern von der Iden­ti­fi­ka­tion des Kauf­in­ter­es­sen­ten mit dem Ort und dem vor­lie­gen­dem Ent­wurf. In dem Vor­arl­ber­ger Fami­li­en­un­ter­neh­men Schertler Alge (I+R) wurde ein Bau­trä­ger gefun­den, der sich von Anfang an für die­ses anspruchs­volle Kon­zept begeis­tern konnte und nun als neuer Eigen­tü­mer zusam­men mit dem Ate­lier Koll­hoff geplant hat und im Jahre 2018 bezugs­fer­tig sein soll.

Infor­ma­tio­nen

http://www.lindeareal.de
http://www.seedomaine-bodman.de/de
Woh­nun­gen und Häu­ser kön­nen Sie über Gut Bod­man Rent­amt beziehen.

Gespräch mit Hans Kollhoff

Worin besteht der Reiz, die spe­zi­elle Her­aus­for­de­rung beim Pro­jekt Linde-Areal?

Natür­lich im Auf­trag der Fami­lie von und zu Bod­man, auf Basis der über Jahr­hun­derte gewach­se­nen Bau­tra­di­tion des Ortes eine neue Orts­mitte zu schaf­fen, die sich zugleich har­mo­nisch in die his­to­ri­sche Sub­stanz einfügt.

Das klingt nicht nach einem Pres­ti­ge­ob­jekt für einen inter­na­tio­nal renom­mier­ten Architekten.

Pres­tige! Das über­trie­bene Stre­ben nach Pres­tige ist doch mit­ver­ant­wort­lich für eine Abkop­pe­lung der Archi­tek­tur von so rele­van­ten Bedin­gun­gen wie Ort, Funk­tion und Kon­struk­tion – also letzt­end­lich von den Bedürf­nis­sen der Men­schen, die in die­sen Gebäu­den und Quar­tie­ren woh­nen und arbei­ten sollen.

Und wie sieht Ihr Gegen­ent­wurf aus?

Häu­ser müs­sen geglie­derte Ganz­hei­ten sein. Ja, sie müs­sen zunächst ein­mal Häu­ser sein und nicht Kunst­ob­jekte. Der Mensch mit der ihm eige­nen Kör­per­lich­keit muss sich in sie hin­ein­ver­set­zen und sich in sie ein­füh­len kön­nen. Bei all dem gilt es, ein über Jahr­hun­derte von Archi­tekt zu Archi­tekt wei­ter­ge­reich­tes und dabei ver­fei­ner­tes Reper­toire zu ver­wen­den, das unser kol­lek­ti­ves Erbe ist. Das wei­ter­zu­den­ken und wei­ter­zu­bauen, ent­spre­chend den Erfor­der­nis­sen unse­rer Zeit, ist unsere Herausforderung.

Also gewis­ser­ma­ßen Zukünf­ti­ges schaf­fen, indem man sich an der Ver­gan­gen­heit orientiert?

Ori­en­tiert am Qua­li­täts­maß­stab der Über­lie­fe­rung geht es sozu­sa­gen um eine Reha­bi­li­tie­rung des Vor­bild­li­chen. Es gab ein­mal, und das ist noch gar nicht so lange her, eine Archi­tek­tur, die ganz selbst­ver­ständ­lich aus der Lebens­weise und den bau­li­chen Mög­lich­kei­ten einer Region her­vor­ge­gan­gen ist. Diese Archi­tek­tur wurde nicht erfun­den, son­dern war das Ergeb­nis eines Jahr­hun­derte wäh­ren­den Ver­fei­ne­rungs­pro­zes­ses. Jedes Gebäude hatte sein Vor­bild in der nähe­ren Umge­bung. Und mit dem Erstel­len jedes neuen Gebäu­des war der Anspruch ver­bun­den, die Form dem – wenn auch meist nur unmerk­lich gewan­del­ten – Leben anzu­pas­sen und im Gan­zen wie im Detail zu voll­enden. So ent­stan­den der kol­lek­tive Raum und ein Orts­bild, dem sich alle zuge­hö­rig füh­len. Diese evo­lu­tio­näre Arbeits­weise müs­sen wir erst wie­der ein­üben. Die geplante Bebau­ung des Linde-Are­als könnte dazu ein Bei­trag sein.

Das Adler-Arial

Auf dem Ufer­grund­stück steht eine bunte Mischung aus Wirt­schafts­ge­bäu­den, Wohn­häu­sern und zwei ehe­ma­li­gen Gast­häu­sern. Da ist zunächst das Gebäude, das dem Areal sei­nen Namen gab, der Gast­hof Alter Adler. Dane­ben ent­stand als Neu­bau das Haus See­ad­ler, das eben­falls Gast­stätte und Hotel war, und nicht mehr saniert wer­den konnte. Im Wes­ten das soge­nannte Kut­scher­haus mit einer klei­nen char­man­ten Stall­scheune. Im Osten wird das Areal begrenzt vom Park­haus und der Villa Baron Herr­mann. Im Süden grenzt es an die bewal­de­ten Hänge des Bodan­rück, im Nor­den an den See.

Sanie­rung

Wir woll­ten bei der Sanie­rung nicht zeit­ge­nös­si­sche Kom­fort­stan­dards in den Vor­der­grund stel­len, son­dern behut­sam mit der his­to­ri­schen Bau­sub­stanz umge­hen und einen ver­wur­zel­ten Cha­rak­ter ent­ste­hen las­sen. Wir woll­ten die klei­nen Sprö­dig­kei­ten und Stö­run­gen bewah­ren und so weit wie nötig an die aktu­el­len Anfor­de­run­gen anpas­sen. Gerade sie geben dem his­to­ri­schen Ensem­ble die spe­zi­fi­sche Würze. Des­halb war es wich­tig, die­ses Areal mit sei­ner über Jahr­hun­derte gewach­se­nen Viel­falt zu erhal­ten und es gleich­zei­tig sinn­voll zu ergän­zen, etwa mit dem See­ad­ler, eine Neu­schöp­fung, die ver­sucht, den archi­tek­to­ni­schen Geist der benach­bar­ten Gebäude auf­zu­neh­men und nor­mal zu sein. Die Wände sind aus Zie­gel­stein und Kalk­putz, die Belüf­tung wird über die Fens­ter vor­ge­nom­men, die tech­ni­sche Aus­stat­tung beschränkt sich auf das Not­wen­digste. Schön wäre es, wenn es dem Haus in sei­ner Nor­ma­li­tät gelänge, das Ensem­ble gestal­te­risch zu berei­chern. Es braucht sich nicht her­aus­zu­put­zen wie ein gestelz­ter Pfau, um sei­nen Platz zu fin­den. Für jedes Haus wurde ein maß­ge­schnei­der­ter Ent­wurf erstellt mit dem Ziel, mög­lichst viel der ursprüng­li­chen Sub­stanz zu erhal­ten und dort, wo ergänzt wer­den muss, mög­lichst in der glei­chen hand­werk­li­chen Logik wei­ter­zu­bauen und mit den regio­nal ver­füg­ba­ren Mate­ria­lien Stein und Holz zu arbeiten.

Fra­gen

In der Pra­xis wirft das natür­lich stän­dig Fra­gen auf. Was machen wir mit dem alten Putz, den Die­len, die ver­mo­dert sind, den Bal­ken, in denen der Schwamm steckt? Was machen wir mit Schäd­lin­gen wie Holz­wurm? Neh­men wir die nächst­beste che­mi­sche Keule oder Was­ser­glas und Kräu­ter, die das Holz ver­stei­nern? Wel­ches Dämm­ma­te­rial? Wie kön­nen alte Häu­ser modi­fi­ziert und in ihrer Funk­tion umge­wid­met wer­den, ohne dass ihnen der Zeug­nis­cha­rak­ter abhan­den kommt und ihre Iden­ti­tät zer­stört wird? Und so wei­ter. Eine kleine Fach­werk­scheune haben wir abge­baut, Stück für Stück restau­riert und wie­der zusam­men gebaut. Dabei stößt man natur­ge­mäß immer wie­der an Gren­zen. Es gibt noch eine große Dis­kre­panz zwi­schen Ideal und Umset­zung. Wir ver­wen­den auch Kle­be­bän­der und Folien, aber wider­wil­lig, mög­lichst wenig, und immer auf der Suche nach einer bes­se­ren Lösung. Im Zusam­men­hang mit den Anfor­de­run­gen an zeit­ge­nös­si­sche Bau­stan­dards tau­chen immer wie­der Kon­flikte und Fra­gen auf, die sich mit ein­fa­chem und wirk­lich gutem Bauen oft nur schwer ver­ein­ba­ren lassen.

Ver­hält­nis­mä­ßig­keit

Wir müs­sen nicht unter Zeit­druck ope­rie­ren. Wir machen, was wir im Sinne unse­rer Stra­te­gie als not­wen­dig anse­hen. Wir machen keine Luxus­sa­nie­rung, keine Renom­mee-Stei­ge­rung durch Ver­wen­dung hip­per Mar­ken­pro­dukte, kei­nen Sumpf­ei­chen­fuß­bo­den für 180 Euro der Qua­drat­me­ter. Es geht um Ver­hält­nis­mä­ßig­keit, ver­nünf­ti­gen Ein­satz von Res­sour­cen und Lang­le­big­keit. Wir arbei­ten mit loka­len Hand­wer­kern. Der Zim­mer­mann ist ein paar Dör­fer wei­ter zu Hause. Das Roh­bau­un­ter­neh­men kommt aus dem Ort. Hei­zung, Sani­tär, Flie­sen­le­ger – alle sind maxi­mal 15 Kilo­me­ter von Bod­man ent­fernt. Des Wei­te­ren haben wir eine kleine Truppe von drei Bau­hand­wer­kern. Die machen Arbei­ten, die kom­pli­ziert zu beauf­tra­gen sind, und arbei­ten an den Schnitt­stel­len. Unsere Akti­vi­tät hat nichts mit Roman­tik oder Melan­cho­lie zu tun, das ist auch kein Mäze­na­ten­tum. Wir errech­nen für jedes Haus, das wir sanie­ren, eine Ren­dite, die wir über die Miete rein­be­kom­men. Was wir tun, soll und muss ein sinn­vol­les Invest­ment sein. Wir müs­sen uns aber nicht von Pro­fit­den­ken lei­ten las­sen, auch wenn unsere expo­nierte See­lage das begüns­ti­gen würde. Die Marge, die uns glück­lich macht, kann klei­ner sein, weil wir auch die ren­di­te­un­ab­hän­gi­gen Aspekte als Berei­che­rung emp­fin­den. Sie (die Ren­dite) ist dafür sta­bil. Wir erfreuen uns an der Qua­li­tät unse­rer Gebäude, wir freuen uns, wenn wir dem Ort einen gestal­te­ri­schen und ästhe­ti­schen Mehr­wert geben kön­nen. Es ist natür­lich auch ein Pri­vi­leg, dass wir uns diese Posi­tion leis­ten kön­nen. Die beson­dere Lage im Ufer­be­reich macht die Häu­ser eher attrak­ti­ver. So kön­nen wir Mie­ten ver­an­schla­gen, wel­che ein halb­wegs qua­li­täts­vol­les Bauen ermöglichen.

Reiner Bickel und Bayerischer Gebirgsschweißhund Anja
Reiner Bickel und Bayerischer Gebirgsschweißhund Anja

Gespräch mit Rei­ner Bickel

Wie wür­den Sie Ihre Tätig­keit beschreiben?

Meine Auf­gabe ist es, den Eigen­tü­mer zu bera­ten, den Spa­gat zwi­schen Wirt­schaft­lich­keit und Nach­hal­tig­keit zu meis­tern. Einer­seits möch­ten wir einen hohen Rech­nungs­be­trag, ande­rer­seits wol­len wir an die künf­ti­gen Gene­ra­tio­nen den­ken. Da gibt es eine Viel­falt von Her­an­ge­hens­wei­sen. Für Wachs­tum und Holz­qua­li­tät ist die wald­bau­li­che Behand­lung ent­schei­dend. Ich ver­su­che, den Wald natur­nah zu bewirt­schaf­ten, indem ich die Gege­ben­hei­ten und die Gesetze der Natur berücksichtige.

Warum sind Sie Förs­ter geworden?

Ich war schon immer gerne in der Natur. Durch mei­nen Groß­va­ter, der eben­falls Förs­ter war, lernte ich den Wald ken­nen. Nach mei­ner Lehre habe ich an der Hoch­schule für Forst­wirt­schaft in Rot­ten­burg stu­diert. Als ich beim staat­li­chen Forst­amt in Kon­stanz prak­ti­ziert habe, lernte ich die Bod­man­schen Wäl­der ken­nen. Graf Bod­man hat damals die forst­li­che Betriebs­lei­tung vom Forst­amt aus­füh­ren las­sen. Dann kam die Stel­len­aus­schrei­bung als Revier­lei­ter in der All­ge­mei­nen Forst­zeit­schrift. Jetzt bin ich schon über 20 Jahre in Bodman.

Was macht den Bodan­rück außergewöhnlich?

Pri­mär sind das seine Lage und Beschaf­fen­heit. Das Schroffe des Wal­des, seine Wild­heit. In man­chen Tälern des Bodan­rücks fin­det man Flä­chen, in die der Mensch seit der Eis­zeit kaum ein­ge­grif­fen hat. Dazu gehö­ren auch die Aus­bli­cke aus den Steil­la­gen über den Boden­see. Die Molas­se­bö­den des Bodan­rücks sind von aus­ge­spro­chen guter Qua­li­tät. Und die lange, kon­ti­nu­ier­lich nach­hal­tige Bewirt­schaf­tung der Fami­lie Bod­man hat einen bio­lo­gisch aus­ge­wo­ge­nen, natür­li­chen Misch­wald ent­ste­hen las­sen. Der Mix aus Land­schaft, Geo­lo­gie und Bewirt­schaf­tungs­weise ist tat­säch­lich selten.

Nach­hal­tige Bewirt­schaf­tung – was heißt das?

In unse­ren Wäl­dern ste­hen 395 Kubik­me­ter Holz pro Hektar; jedes Jahr wach­sen 10 Kubik­me­ter nach, dar­aus ergibt sich der jähr­li­che Hieb­satz. Wir schla­gen im Schnitt der Jahre das ein, was zuwächst, wobei wir nach einem bestimm­ten Schlüs­sel mischen, um einen gewünsch­ten Erlös zu erzie­len. Man darf nie ver­ges­sen, dass das, was wir heute pflan­zen, erst in 60, 70 Jah­ren, mit­un­ter erst in 120 Jah­ren geern­tet wer­den kann. Nach­hal­tige Bewirt­schaf­tung heißt aber mehr. Einen guten Baum­ar­ten­mix, mög­lichst Natur­ver­jün­gung und vor allem die Beach­tung der Stand­ort­ver­hält­nisse. Was wächst auf wel­chem Boden am bes­ten, und wie kön­nen wir die Frucht­bar­keit der Böden erhal­ten und fördern.

Was ist Ihre größte Herausforderung?

Wir haben umfang­rei­che Steil­la­gen, die wald­bau­lich inter­es­sant, aber nicht maschi­nen­be­fahr­bar sind. Hier sind die Geste­hungs­kos­ten ungleich höher. Wir müs­sen wei­ter dar­auf ach­ten, unsere innige Mischung aus Laub- und Nadel­holz zu erhal­ten. Wir haben etwa 60 % Laub­holz, über­wie­gend Buche, die hier opti­male Ver­hält­nisse vor­fin­det, und sich dadurch stark ver­jüngt. Wenn Flä­chen frei wer­den, müs­sen wir also auch aktiv Nadel­holz pflan­zen. Die sehr gut zu bewirt­schaf­ten­den Flä­chen auf der Hoch­ebene des Bodan­rücks müs­sen lang­fris­tig sinn­voll genutzt werden.

Nadel­holz wächst schnel­ler und bringt höhere Erlöse. Warum nicht ganz auf Nadel­holz umstellen?

Die Fami­lie Bod­man ist mit Misch­wald immer gut gefah­ren. Das macht den Wald weni­ger anfäl­lig für Kala­mi­tä­ten wie Sturm­wurf und Insek­ten­be­fall. Wirt­schaft­lich gese­hen ist Misch­wald auch eine Garan­tie, den Markt bes­ser bedie­nen zu kön­nen. Mal ist diese Holz­art in Mode, mal eine andere. Eine mög­lichst viel­fäl­tige Mischung ist auch die best­mög­li­che Pro­phy­laxe gegen den Klimawandel.

Wel­che Rolle spielt der Bod­man­sche Wald für das Unternehmen?

Der Wald ist unsere soli­deste Säule. Wir tra­gen mit dem Wald dazu bei, Ziele in ande­ren Unter­neh­mens­be­rei­chen ver­fol­gen zu kön­nen. Etwa die Restau­rie­rung von Gebäu­den oder den Aus­bau der Most­an­la­gen im Obst­bau. Neben der rei­nen Forst­wirt­schaft haben wir die Wald­ruh St. Katha­ri­nen ent­wi­ckelt, für die ich zustän­dig bin. Der­zeit küm­mere ich mich um die Reno­vie­rung des klei­nen Was­ser­kraft­wer­kes in Espa­sin­gen und helfe, dass die Hack­schnit­zel­hei­zung in Bod­man gut funktioniert.

Ist die Gewähr­leis­tung des Natur­schut­zes dabei nicht aus wirt­schaft­li­cher Sicht kontraproduktiv?

Für mich gehört die Pro­duk­tion von Holz auch zum Natur­schutz, wenn man das ver­nünf­tig macht.  Wieso sol­len wir Bau- und Möbel­holz von weit her­ho­len und Öl statt hei­mi­sches, nach­wach­sen­des Holz verbrennen?

Die ganze Büro­kra­tie führt aller­dings zu einem deut­lich höhe­ren Ver­wal­tungs­auf­wand. 80 % unse­res Wal­des ist als FFH-Gebiet aus­ge­wie­sen. Der Schutz­sta­tus schränkt die Fle­xi­bi­li­tät in der Bewirt­schaf­tung ein. Wir dür­fen etwa nicht mehr als 30 % Nadel­holz ein­brin­gen, dabei ist es in der Jung­wuchs­phase not­wen­dig, einen deut­lich höhe­ren Anteil zu haben, um in der End­wuchs­phase 30% zu errei­chen. Es ist falsch, wenn der Wald­be­sit­zer, der öko­lo­gisch sinn­voll gear­bei­tet hat, dadurch bestraft wird, dass man seine Hand­lungs­fä­hig­keit ein­schränkt. Ich sage es mal so: Wenn das Haus Bod­man sei­nen Wald frü­her kahl geschla­gen und über­all Fich­ten gepflanzt hätte, wäre alles ein­fa­cher. Wir leben, wenn man so will, mit dem Fluch der eige­nen guten Tat.

Wie pla­nen Sie weiter?

Uns wurde vom Regie­rungs­prä­si­dium bestä­tigt, dass wir so wei­ter wirt­schaf­ten dür­fen, wie wir das bis­her getan haben. Wir pla­nen in 10-Jah­res-Schrit­ten. Das Plan­werk heißt Ein­rich­tung und wurde mit exter­ner Hilfe erstellt. Zuvor haben wir an 700 Punk­ten Stich­pro­ben genom­men. Eine Viel­zahl von Para­me­tern wie bei­spiels­weise Baum­ar­ten, ‑alter, ‑höhe, Boden­flora und Wild­ver­biss, wur­den auf­ge­nom­men. So ent­steht nach Hoch­rech­nung ein genaues Bild der Natu­ral­da­ten. Dar­aus wird dann die Ein­rich­tung gemacht. Die hat eine lang­fris­tige, nach­hal­tige Stra­te­gie. Das wald­bau­li­che Ziel, der Ein­schlag, öko­lo­gi­sche Kri­te­rien, die Len­kung der Wald­be­su­cher, die Wild­stra­te­gie und vie­les mehr wer­den fest­ge­legt. Die­ser 10-Jah­res-Plan wird dann auf die ein­zel­nen Jahre run­ter­ge­bro­chen, und je nach Markt­si­tua­tion, Wit­te­rungs­ge­ge­ben­hei­ten und Ver­füg­bar­keit von Per­so­nal und Dienst­leis­tern wer­den die Arbei­ten durchgeführt.

(Rei­ner Bickel ist Diplom-Forst­in­ge­nieur und kommt müt­ter­li­cher­seits aus einer Förs­t­erfa­mi­lie; seine Aus­bil­dung begann er in dem Forst­amt, in dem sein Groß­va­ter Revier­lei­ter war)

Ingrid Knobelspies mit der ihr eigenen Energie
Ingrid Knobelspies mit der ihr eigenen Energie

Gespräch mit Ingrid Knobelspies

Ich kam 1977 ins Rent­amt. Anfangs dachte ich, hier bleibe ich keine drei Wochen. Damals wurde die Pacht für land­wirt­schaft­li­che Flä­chen noch in bar bezahlt. Wir hat­ten einen Wein- und Spi­ri­tuo­sen­ver­kauf im Kel­ler, nicht nur eigene Weine, auch Hoch­ka­rä­ti­ges. Roth­schild, diese Kate­go­rie. Die Wirte der Gast­stät­ten, die zum Betrieb gehör­ten, kamen täg­lich. Stän­dig klin­gelte jemand an der Tür. Graf Bod­man hatte damals noch einen Ver­wal­ter, die Forst­wirt­schaft wurde vom Land betreut. Graf Bod­man kam immer mal wie­der durch die Tür, schaute auf den einen oder ande­ren Schrift­wech­sel, dann war er wie­der weg, kam zurück durch eine andere Tür, sagte: „Wir soll­ten das so machen.“ Seit­her hat sich vie­les ver­än­dert. Heute führt Baron Johan­nes den Betrieb. Er hat das Büro über­nom­men, in dem frü­her der Ver­wal­ter saß. Heute pro­du­zie­ren wir bio­lo­gi­sches Obst und bio­lo­gi­schen Wein, wir inves­tie­ren in Erhalt und Restau­rie­rung unse­rer Gebäude und küm­mern uns um den Wald selbst. Wir sind ein tra­di­ti­ons­be­wuss­tes, kon­ser­va­ti­ves Haus, aber auch modern und inno­va­tiv, immer offen für das Neue. Schon Graf Bod­man hat sehr dar­auf geach­tet, dass mit dem Land behut­sam umge­gan­gen wird. Frü­her ist das belä­chelt wor­den, inzwi­schen wird das gefei­ert. Wir machen nicht Bio, weil es modern ist oder weil man damit Geld ver­die­nen kann, wir machen Bio, weil wir es für rich­tig hal­ten. Wenn man mich fra­gen würde, was ich mag an mei­ner Arbeit, würde ich sagen: die Viel­sei­tig­keit, das viele Nicht-All­täg­li­che. Dass nichts Rou­tine ist, nie Lan­ge­weile auf­kommt. Und dass wir uns als Ange­stellte füh­len wie Mit­glie­der der Fami­lie. Warum ich nicht nach drei Wochen gegan­gen bin? Kann ich nicht erklä­ren. Bin halt geblie­ben. Manch­mal kommt mir meine Zeit hier vor wie eine Ehe. Eine lange, glück­li­che Ehe. Fast vier Jahr­zehnte und nie ein böses Wort. Wir Rent­ämt­ler freuen uns immer wie­der, dass uns Graf Bod­man das Jahr über mit Topf­blu­men ver­sorgt. Mit Pri­meln, Hor­ten­sien, Alpen­veil­chen oder Orchi­deen. Meine Moti­va­tion war immer bei­zu­tra­gen, das zu bewah­ren, was das Haus Bod­man seit Jahr­hun­der­ten ver­kör­pert. Bevor ich hier arbei­tete, war Adel für mich nichts Beson­ders. Am Boden­see gibt es viele Adels­häu­ser. Jetzt weiß ich, dass Adel etwas sehr Beson­de­res sein kann. Wann immer ich ange­spro­chen werde, erzähle ich stolz: Ich arbeite im Rentamt.

(Ingrid Kno­bel­spies ist gelernte Indus­trie­kauf­frau. Bevor sie nach Bod­man kam, arbei­tete sie für einen Tex­til­be­trieb in Eigeltingen)

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